Die Reise ist geteilt, in eine 5-tägige Wanderreise im Südwesten der Ukraine und eine 5-tägige Reise in den Nordosten von Ungarn. Wie, "On the rail" die Schienen bringen uns in den "wilden Osten".
Bahnhofshallen, Kartenautomaten, Wartesäle und Schalterbeamte machen mich frei. Ich trage nur den Rucksack. Auf der Zugfahrt von Budapest nach Chop, feiere ich meinen Geburtstag, der letzte bevor ich 60 werde. Ich habe diese Reise organisiert, Gleichgesinnte gesucht und gefunden, wir stossen an mit den Worten: "Ein bisschen verrückt kann man schon sein, so lang man nicht allein ist. Auf eine gute Reise!" Es ruckelt in den alten Zügen, alles ist in Bewegung, der Blick aus dem Fenster verliert sich. Felder, kleine Häuser, Dörfer, alles einfach und ländlich, viel Gebüsch und Gestrüpp.
Das pannonische Becken, neunzig Prozent Ungarns sind Tiefland. Hier zu leben, für eine Alpenländlerin unvorstellbar.
Normal ist woran man gewöhnt ist, ich mag es so unspektakulär, das ist ein Trick, so erscheint mir mein Leben reicher.
Etwa 300 km Strecke, fünf Stunden und wir kommen am letzten ungarischen Bahnhof "Zahony" an. Er ist am Dreiländereck, Ungarn Slowakei Ukraine. Ich steige in einen ukrainischen Zug, die Pässe werden kontrolliert. In Ungarn herrscht mitteleuropäische Zeit. Dazwischen einige Kilometer, eine Stunde wird verschluckt, nur die Theiß da draussen ist wirklich, dann sind wir in Chop auf der ukrainischen Seite hier gilt die osteuropäische Zeitrechnung.Pavlo wartet am Bahnsteig. Ich darf ihn nicht begrüßen bevor wir nicht durch die Passkontrollen gegangen sind. Es ist schön von Pavlo empfangen zu werden, letztes Jahr hat er uns Land und Leute nähergebracht und über die Howerla den höchsten ukrainschen Karpatengipfel geführt, dieses Jahr sind wir wiedergekommen.
In der Bahnhofshalle eine Wandbemalung aus der sowjetisch besetzten Zeit der Ukraine. Helden aus dem Volk, Arbeiter und Arbeiterinnen, Bauer und Bäuerin pflügen und ernten, eine Schmiede, siegreiche Soldaten, es fehlt nicht an Symbolen, Fahnen, Ährenkränze, Hammer und Sichel, ähnlich der nationalsozialistische Propaganda. Hier scheint sich niemand daran zu stören.Ein Mann kommt auf uns zu, er faltet die Geldscheine, Hrywnja auf wie ein Daumenkino, er bietet einen guten Kurs, die Inflation knebelt das Land. Wir kommen an in Volovets, ein schmuckes Freizeit Städtchen, ein Fluss fließt hindurch, gespeist von den vielen Bächen aus den hügeligen Waldkarpaten ringsum. Hier suchen die Ukrainer aus den großen Städten wie Kiew Landluft und wie Pavlo sagt, großes Fressen und Saufen.
Wir treffen Ihor, er spricht ein paar Brocken deutsch, herzlich legt er Pavlo seinen Arm um, stellt sich als sein Schwiegervater vor und bietet sich als unser Chauffeur an. Sein freundliches Lächeln, das Abnehmen und Verstauen unserer Rucksäcke im Laderaume seines Citroen, das Öffnen der breiten Schiebetür, macht ihn unersätzlich für das Wohlgefühl unserer Gruppe. Jetzt sind wir vollständig.Unsere erste Pension liegt oberhalb Volovets wir haben rundum Blick. Die Zimmer, die Treppen der Gastraum, die Bar alles aus massivem Holz, wir staunen. Unten im Städtchen sehen wir endlos lange Züge, es ist die einzig gut ausgebaute Eisenbahnstrecke die den Nordwesten der Ukraine mit Lemberg und Kiew als Dreh- und Angelpunkt aller Züge im Land verbindet. Unsere Wege aber führen uns in die naturreichen aber menschenleeren Gegenden der Waldkarpaten Transsylvaniens dazu müssen wir die Bahngleise verlassen. Und mit Ihor fahren. Er legt für uns die CD mit der englischen Popmusik aus den 70/80er Jahren ein, umrundet die Schlaglöcher im Straßenteer, fährt regenguss- und traktorgeprüfte Feldwege, während ich Stoßgebete für leidgeplagte Karosserien, Stoßdämpfer und Auspufftöpfe in den ukrainischen Himmel schicke.
Nicht nur die Autos, auch wir werden geprüft, auf Ausdauer, schweißbadene Aufstiege und stachelige Brombeer- und Himbeerfelder. Unsere Touren führen hinauf auf die langgezogenen Almen, ukrainisch Polonina. Aber was da unten aussah wie grüne Grashügel sind kniehohe Blaubeerfelder. Wie die Bären bleiben wir immer wieder stehen, machen einen runden Rücken und pflücken in den Mund.Die Profis streichen mit einem Kamm die Beeren ab, sammeln sie und geben sie kiloweise ab. Ein Beerensammler sagt, wir werden seine Beeren zuhause in Deutschland im Joghurt aus dem Supermarkt essen.
Was bekommen wir für unsere Anstrengungen und Striemen, alte Buchenwälder, einsame Wege, weite wunderschöne Aussichten, kühle Quellen und Wasserläufe, Moorseen, Blumenwiesen so bunt und reich, in denen Bienen und Schmetterlinge tanzen und aus jedem Tag eine Ewigkeit wird.Es gibt beliebte Ziele an denen wir auch auf ukrainische, slowakische und polnische Ausflügler treffen. Mitunter weil man sie mit der Seilbahn oder dem Auto erreichen kann, aber auch weil sie ein nationales Wahrzeichen darstellen, wie der Pikuj, der höchste Berggipfel des Lemberger, Lviver Gebietes. Die Spitze und die felsigen steilen Abhänge bilden gerade einmal genug Platz für die vielen Kinder und Jugendgruppen. Ein jugendliches Mädchen und ihr jüngerer Bruder sprechen uns an und probieren ihr Schulenglisch aus: "where do you come from?" Wir sind eine Attraktion.
Ihor erzählt von vom Fegefeuer, großen Kesseln in denen das Wasser siedet bis die Touristen mit rotglühender Haut in den eiskalten Fluss springen. Freud und Leid liegen nah beieinander.In Uzghorod, einer ehemals ungarischen Stadt besuchen wir das Freilichtmuseum, die alten Holzhäuser sind liebevoll gepflegt, in den Obstgärten sind gerade die Zwetschgen und Mirabellen reif der Sturm der letzten Nacht hat sie heruntergeworfen. Nichts Essbares verkommt in der Ukraine.
Am Ende kaufen wir von den letzten Hrywnja Souvenirs, Wir suchen schöne Stoffe mit ukrainischen Mustern, als Bettüberwurf und Tischdecken aus. und kaufen Haut Cremes mit Essencen aus Arnika, Calendula und Kamille, Rose und Lavendelduft.Pavlo bringt uns noch nach Chop und setzt uns wie Schulkinder in die Bahn. Der Abschied fällt uns schwer, wir wären gerne weiter wie die Bären durch den ukrainischen Wald gestreift.
Wir kommen wieder an die Theiss, breit und langsam fließt sie durch Tokaj, hier mündet die Bodrog ein verschlungenes Flüsschen. Tokaj ist ein netter Urlaubsort, früher haben im Sommer die Touristen aus Ostdeutschland die Campingplätze und einfachen Hotels belegt. Die treuesten Gäste von Frühling bis Anfang September sind die Störche. Für ihre großen Nester nutzen sie gerne Strommasten und scheuen nicht die Geschäftigkeit des Städtchens. Das Örtchen häutet sich, Straßen, Plätze, Hotels und Badeplätze gewinnen einen neuen Glanz, auch ein Tourismusbüro in der Fußgängerzone bemüht sich um die Gäste.
Das Städtchen ist umgeben von sanfte Hügeln. In dem milden Klima und dem fruchtbaren Boden wächst Ungarns berühmter Weißwein, "der Tokajer".Unser Gastgeber und Hausherr zelebriert für uns 5 Weinsorten aus seinem Weinkeller. Fünf mal wird unser Glas gefüllt, und der edle Tropfen wird immer tiefer und gehaltvoller, am Ende ist es ein Muskatwein und ich möchte nie wieder etwas anderes Trinken.
Unser Ziel aber liegt 20 km Bodrog aufwärts, Sarospatak, in meinem Reiseführer wird das Städtchen nicht erwähnt. Die Perlen liegen eben verstreut, und wahre Schätze muss man selber heben und sind nicht durch die Reiseindustrie vorgekaut. Warum Sarospatak, im Jahre 1207 wurde Elisabeth von Thüringen hier geboren. Ihre Mutter Gertrud von Andechs Meranien, wurde mit Andreas II von Ungarn verheiratet. Andechs, Gertruds Geburtsort ist immer noch ein großer Pilgerort in Oberbayern und einen einstündigen Fußmarsch von meinem heutigen Zuhause, Herrsching am Ammersee entfernt. Wie es damals üblich war wurden die Töchter der großen Adelsfamilien über die ganze christianisierte Welt Europas hinweg vermählt. Und es waren eben diese Töchter, die mit einer großen Mitgift und Dienerschaft die Reise in das ferne Land ihres Zukünftigen antreten mussten.
In Sarospatak, war nur ein Landsitz der Königsfamilie der Arpaden, denen Andreas II entstammte, die Hauptburg war in Pressburg, dem heutigen Bratislawa und Etzegom der Bischofsstadt am Donauknie.
Elisabeth wurde im Alter von 4 Jahren nach Thüringen gebracht und wuchs dort fern ab ihrer Heimat mit ihrem zukünftigen Gemahl wie Geschwister miteinander auf. Sie lernte die Sprache, handarbeitliche Künste und höfische Gebräuche wie sie an der Wartburg in Eisenach üblich waren.All das ist lange her, so sind auch eindeutige schriftlichen Überlieferungen, erhaltene Mauern und Grundfeste spärlich. Umso mehr Raum bleibt der Vorstellungskraft. Ich ziehe Fäden zwischen Andechs, Wien, Pressburg und der Ostgrenze von Ungarn, ein riesiger Raum entsteht. Ich denke an einen weiteren Zeitgenossen der Elisabeth von Thüringen, dem Stauferkaiser Friedrich II der sich zum Kaiser des heiligen römischen Reich deutscher Nation kürte, und sein riesiges Reich von Sizilien aus regierte.
Auch Franz von Assisi lebte zu jener Zeit und gründete den Franziskanerorden. Wie Franz von Assisi wurde Elisabeth eine Heilige, wie er, starb auch sie jung, ohne Besitz, ohne Titel, ausgeschlossen von der adligen Verwandtschaft und letztlich getrenn von ihren eigenen, noch kleinen Kindern.Einzig und allein die Mildtätigkeit, Opferbereitschaft und Hingabe an die Armen und Kranken wurde zu ihrem Lebensmittelpunkt. Es heißt sie starb freudig, war sie doch sicher von Gott und seinem ewigen Reich empfangen zu werden.
Es sind immer die geweihten Plätze, wie hier in Sarospatak an der Bodrog, die auch die zukünftigen Fürsten, Kirchen und Stadtgründungen nach sich ziehen. Das Schloss und der mittelalterliche Turm, wurde von der Familien Rakoczis erbaut und über Generationen bewohnt, ein großer Name, ein Fürstentum das sich für die Unabhängigkeit des Königreichs verdient machten, ein Nationalwahrzeichen der Ungarn. Auf dem Gelände und dem Hof des ehemaligen Schlosses sind für ein Sommerkonzert Bühne und Stühle aufgebaut, Akustik und Scheinwerfer werden noch eingewiesen. Sänger und Interpreten kommen aus der Staatsoper in Budapest, jeden Sommer treten sie an historischen Plätzen auf.Wir nehmen an einer Führung durch den Turm teil, sie ist ungarisch, englisch oder deutschsprachige Führungen werden zu wenig nachgefragt. Der Rundumblick vom Turm ist eine Orientierungshilfe und große Freude.
Das Zemplen Gebirge einst adliger Jagdgrund, heute führen viele Wanderwege durch die waldreiche Region. Ein Wanderweg wurde im Jahr 2007, zur 800 Jahrfeier der Elisabeth von Thüringen eingerichtet, sein Zeichen eine stilisierte Rose. Das Rosenwunder ist die bekannteste Legende der Heiligen.Der Pilgerweg führt von Sarospatak, den Grundmauern der Rotunde, wo vermutlich Elisabeth getauft wurde nach Kosice (Kaschau) in der Slowakei. Am Ziel steht der gotische Elisabethdom, eine Augenweide und in deren Bilder und Skulpturen viele geistige Botschaften liegen.
Es ist ein Weg im Grenzgebiet und dient der Völkerverständigung zwischen Ungarn und der Slowakei. Neben vieler Naturdenkmäler begleiten Burgen, Holzwirschaft und Bergbau, Kirchen und Klöster, und viele gastfreundliche Dörfer und Herbergen die Pilger.Im Elisabethmuseum, im gleichnamigen Kloster haben wir ein liebevoll und ausführlich zusammengestelltes Wanderbüchlein zum Rosenweg in deutscher Sprache erworben. Am liebsten wären wir den Weg gleich gegangen, zumindest Abschnitte, aber alle Herbergen sind für das kommende Wochenende belegt. Wir treffen den Entschluss den 100 km langen, auf eine Woche eingeteilten Wanderweg im kommenden Jahr zu gehen.
Der Fluss nimmt seinen Lauf vom Ursprung zur Mündung wie das Leben von der Geburt bis zum Tod.
Die Donau entlang zu gehen, schenkt Orientierung. Sie ist nach der Wolga der längste Fluss in Europa. Entlang ihren Ufern ziehen geographische, geschichtliche und politische Ereignisse vorbei.Über lange Strecken säumen Wiesen und Felder ihre Ufer, Fischer schauen gleichmütig auf das träge dahingleitende Wasser, Hügel wachsen zu Berge an, schroffe Felsen fallen ab. Dann gibt Engpässe, wie der Donaudurchbruch bei Beuron oder das eiserne Tor in Rumänien.
Heute ist Ungarn ein Binnenstaat, es ist von Ländern umgeben und grenzt nirgends an ein Meer. Um so wichtiger ist die Donau, sie ist Verbindungsfluss zum Meer, ihre Häfen sind große Handelsplätze.
Die Donau fließt durch Ungarn immer ostwärts auf weiten Strecken wird sie Grenzfluss zur Slowakei bis sie in Visegrad, kurz vor den Toren Budapest sich neunzig Grad abwinkelt, man nennt diese Stelle das Donauknie. Jetzt fliesst sie stracks nach Süden, trennt Budapest, in Buda an ihrem Ostufer und Pest an ihrem Westufer.
Budapest ist die Perle der Donaustädte, Budapest wird auch "das Paris des Ostens" genannt.Es gibt einen inländischen- und Internationale Hafen in Budapest, vorallem die vielen touristischen Ausflugsboote und Kreuzfahrtschiffe teilen sich die Docks.
Wir nehmen ein Ausflugsschiff flußaufwärts, die prächtigsten Bauten liegen an ihrem Ufer. Das Parlament, die großen Geschäfts- und Bürgerhäuser, der Burgberg mit der Fischerbastei und die Matthiaskirche.Ihre Brücken fügen die Stadt wieder zusammen. Jede ehrt mit ihrem Namen eine Persönlichkeit aus der ungarischen Geschichte.
Wir lassen die Elisabethbrücke, Erzsébet hit, hinter uns zurück. Sie ehrt unsere Sissi, und spätere Kaiserin von Österreich Ungarn. Ihre Brücke wurde von den Deutschen vor dem Einzug der Russen im 2. Weltkrieg gesprengt. Die wiederaufgebaute Brücke entspricht nicht der alten Kettenbrücke.
Die Kettenbrücke ist die bekannteste Brücke, sie ist nach dem politischen Freiheitshelden, Graf István Széchenyi benannt, sie ist ein Wahrzeichen für Budapest undt Symbol für nationale Identität und Aufbruch des ungarischen Volkes.Die Magaretenbrücke ist eine der ältesten erhaltenen Brücken Budapests, margit hid heißt sie auf ungarisch. Sie ist der Königin Margit von Ungarn gewidmet. Ihre Geschichte führt ins 13. Jahrhundert.
Wir sind in Visegrad, am Donauknie aus dem Ausflugsschiff gestiegen, gehen den Burgberg mit Königssitz aus dem 14. Jahrhundert hinauf. Oben eröffnet sich uns ein weiter Blick über die grünen Hügel. Einst beliebter Jagdgrund der Fürsten. Ein Nationales Wahrzeichen der Ungarn und auch der nahen Slowaken. Ich stelle mir vor, dass hier, oder im nahen Etzegerom, dem ehemaligen "Gran", Bischofssitz und einstmaligen Hauptstadt Ungarns, Attilas Palast aus Palisandern und getäfelten Holzwänden thronte. Attila oder Etzel, wie er im Nibelungenlied heißt, baute im 5. Jh. sein kurzlebiges Königreich in Ungarn auf. Noch heute werden die ungarischen Söhne, nach ihm benannt.
Wir verabschieden uns von Budapest, oben am Burgberg, ein legendärer Platz, wo alles angefangen hat, hier steht das Denkmal des ersten König Ungarns, des Arpadenfürsten Stephan.
Die älteste Kirche, die ehemalige Liebfrauenkirche, sie hat so viele Feuerbrände, Eroberungen, Entweihungen, Restaurierungen, Erweiterungen erlebt, dass kein Stein mehr auf dem alten Platz liegt.
Selbst ihren Namen hat man geändert, heute heißt sie Matthiaskirche, nach dem König Matthias, der Ungarn im 15. Jh. zu Macht und Ruhm verhalf.Dennoch in der heutigen Matthiaskirche sind unzählige Madonnenstatuen, für die Ungarn ist weiterhin sie die Schutzbefohlene. Und unter ihrem Tor wird geheiratet, mit der Bitte die liebe Frau möge das Paar in Zukunft beschützen.